Die Person an der Spitze deutscher Unternehmen steht in einer Zeit wirtschaftlicher und geopolitischer Herausforderungen sowie massiver Transformationen wie Nachhaltigkeit und AI immer mehr im Fokus. Und es steht zu erwarten, dass die Zahl der Wechsel, geplant und ungeplant, steigen wird. Zudem steht eine neue Generation von Manager:innen bereit, um Verantwortung zu übernehmen. Welche Vorbereitungen Unternehmenslenker:innen und Aufsichtsräte jetzt treffen können:
Ein japanisches Sprichwort sagt: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Wenn du es noch eiliger hast, mach einen Umweg.“ Von den Generationen X, Y und Z bis hin zu den Babyboomern sind heute alle Generationen in den Unternehmen vertreten. Diese Struktur wird sich in den nächsten Jahren verändern. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, in den nächsten 15 Jahren scheiden laut Statistischem Bundesamt fast 13 Millionen Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt aus. Darunter werden auch Topmanager:innen sein, die Lücken in die Führungsriegen deutscher Unternehmen reißen. Eine neue Generation an Manager:innen steht schon in den Startlöchern, während eine vergleichsweise geringere Zahl junger Arbeitnehmer:innen auf den Arbeitsmarkt strömt. Unter diesen Voraussetzungen kommt es mehr denn je auf die richtige Auswahl und Entwicklung von Nachfolger:innen an. Es geht um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Doch wie kann dies gelingen?
Systematische Vorbereitung noch die Ausnahme
Fast die Hälfte der CEO-Wechsel an der Spitze deutscher Unternehmen erfolgt nach wie vor ungeplant. Die andere Hälfte wird nur in seltenen Fällen im Rahmen einer langfristigen Nachfolgeplanung durchgeführt. Verlässt ein CEO vorzeitig das Unternehmen, entsteht ein Führungsvakuum und der Druck auf alle Beteiligten steigt, schnell eine:n Nachfolger:in zu finden. Zeitdruck ist bei der sicherlich wichtigsten Personalie kein guter Ratgeber, aber ein allzu bekannter Begleiter.
Das Bewusstsein für eine langfristige und systematische Nachfolgeplanung ist in Deutschland noch die Ausnahme. Dabei hilft gerade sie, im Notfall auch schnell agieren zu können. Die Logik des eingangs erwähnten japanischen Sprichwortes ist hierzulande im Denken noch nicht angekommen. Zudem wurden jahrelang bekannte Gesichter bevorzugt. Man schätzte sich. Das eigene Netzwerk bringt immer seltener die passenden Kandidat:innen hervor, die den heutigen und sich ständig verändernden Anforderungen gewachsen sind. Darum ist es wichtiger denn je, über das eigene Netzwerk hinaus diverse Kandidat:innen zu identifizieren, die auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit Antworten haben.
Generell erfordert eine erfolgreiche Nachfolgeplanung Mut und Offenheit. Hier sind Aufsichtsräte und vor allem Aufsichtsratsvorsitzende gefordert, ihre Position zu nutzen, um sich frühzeitig mit der Nachfolgefrage auseinanderzusetzen und dabei über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinauszuschauen. Mit zwei Maßnahmen können sie die Nachfolgeplanung im Unternehmen grundsätzlich verbessern:
- Förderung und Entwicklung von Toptalenten im Unternehmen: Intern sollten Prozesse entwickelt werden, durch die Mitarbeiter:innen systematisch an Führungsrollen herangeführt werden. Diese Weichen sollten idealerweise lange vor dem Schritt an die Spitze gestellt werden. Es geht darum, Mitarbeiter:innen zu fördern und ihre Stärken und Expertisen gezielt weiterzuentwickeln. Das schafft Vorbildfunktionen im Unternehmen und motiviert.
- Austausch und „Scouting“ außerhalb des Unternehmens: Bei aller Talententwicklung innerhalb des Unternehmens bleibt der Blick nach außen ein wichtiger Baustein bei der Suche nach passenden Kandidat:innen. Welche Entwicklungen und Trends gibt es am Markt? Wer gibt die passenden Antworten auf die Entwicklungen unserer Zeit? Gesprächskanäle auch über Branchen- und Ländergrenzen hinweg zu öffnen und kontinuierlich zu pflegen, kann den Radius für die Suche nach der idealen Besetzung im Bedarfsfall deutlich erweitern.
Zukunftsfähigkeit, langfristig definiert
Wenn es darum geht, die Spitze eines Unternehmens neu zu besetzen, zeigen die wenigen und erfolgreichen Ausnahmen von der gängigen Praxis, dass Prozesse von zwölf bis achtzehn Monaten keine Seltenheit sind. Im internationalen Kontext sehen wir erfolgreiche Unternehmen, die mit einem Zeithorizont von drei bis vier Jahren arbeiten. Der Aufwand lohnt sich, denn es geht nicht nur um den neuen Kopf an der Spitze, sondern um die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens.
Sich darüber Klarheit zu verschaffen, ist die erste Aufgabe einer langfristigen Nachfolgeplanung.
Dazu braucht es einen geschützten Raum, in dem wesentliche Stakeholder des Unternehmens, vor allem der amtierende CEO und CHRO, unterschiedliche Perspektiven und Überzeugungen teilen und sich die Mächtigkeit einer inklusiven Kultur zunutze machen können, die an die Stärke einer gemeinsamen Meinungsbildung glaubt. Ohne sie läuft das Unternehmen Gefahr, sich der lautesten Überzeugung anzuschließen, die aber nicht die richtige sein muss. Wenn ein klares Profil vorliegt, können potenzielle Nachfolger:innen, intern wie extern, identifiziert werden. Was sich einfach anhört, ist gerade an der Spitze anspruchsvoll, speziell bei größeren Unternehmen und Konzernen. Die besondere Herausforderung besteht darin, einen lautlosen und diskreten Prozess zu begleiten, in dem es um nicht weniger als alles geht. Gelingt das, verschafft sich ein Unternehmen einen wertvollen Vorsprung im Wettbewerb.